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  • Writer's pictureStephan Busch

Das Fluss & See Kreuzfahrt Debakel 2022 - ein update



Die Vorhersagen sind aus dem Jahr 2020 und wurden von vielen als zu negativ angesehen. Ich selbst hatte auch noch die Hoffnung das es nicht so kommen würde. Leider habe ich bei vielem Recht behalten. Hier ein update.


Rasanter Aufstieg bis zum fast kompletten Stillstand

Flusskreuzfahrten sind in den letzten Jahren zu Recht populär geworden für alle Schichten der Gesellschaft. Von billig bis moderat, von teuer bis sehr exklusiv. Für alle war etwas dabei. Der Hauptanteil - vor allem dank Vikings Werbung und PR in den ersten Jahren - fuer alle Kreuzfahrtfirmen waren die Amerikaner und der Englisch sprechende Markt (UK, Australien, Kanada, etc.) mit 75%. Aber auch Deutsche, Schweizer, Franzosen, Spanier und Südamerikaner entdecken diese Art von Tourismus für sich. Russische Gäste wurden immer mehr und viele Schiffe wurden exklusiv nur für Chinesische Gäste bereitgestellt.


Und heute? 2022?

Die Chinesen

sind immer noch nicht wieder da und es wird dauern.


Die Amerikaner

kommen langsam zurück füllen allerdings noch lange nicht die Kapazitäten wie vor Corona und dem Konflikt in Europa


Die Australier

könnten langsam wieder kommen aber auch hier wird es wohl Jahre brauchen bevor die Zahlen von 2019 erreicht werden


Die Russen

werden für lange Zeit nicht kommen.


Auch Israelis, Südamerikaner, Inder und viele andere Länder die zusammen viele Kapazitaeten gefuellt hatten werden für lange Zeit den Kreuzfahrttourismus vermeiden.


Die Zeiten in denen der Transport von Passagieren vom Flughafen zum Schiff logistische Albträume waren sind Vergangenheit.


Heute prognostiziert die Airline-Branche in ihrer optimistischsten Haltung eine Erholung erst frühestens 2024. Neuste Zahlen sprechen von 2026.


“Der weltweite Passagierverkehr (Umsatz-Passagierkilometer oder RPKs) wird erst 2024, ein Jahr später als zuvor prognostiziert, auf das Niveau vor COVID-19 zurückkehren. “

(Offizielle Erklärung der IATA, Juli 2020)

https://www.iata.org/en/pressroom/pr/2020-07-28-02/)


Die Zeiten, in denen die Werften ausgebucht waren sind vorbei

In den letzten Jahren war es finanziell kein Problem neue Schiffe zu bestellen - aber bei so vielen neuen bestellten Schiffen wurde es zum Problem Werften zu finden die Platz für einen weiteren Neubau hatten. Die Werften waren bis 2026 ausgebucht. Viele haben schon fuer immer zugemacht!


Bernd Meyer (Meyer Werften Papenburg, Deutschland) sagt eine Zukunft voraus, die für alle Werften bedenklich ist:


"Nie zuvor hat die gesamte Kreuzfahrtflotte mit über 400 Schiffen ihren Betrieb eingestellt", sagte er. Meyer prognostiziert, dass die Erholung noch weit entfernt ist - er geht davon aus, dass es 2030 sein wird, bevor der Markt für Kreuzfahrtschiffe dem des letzten Jahres entspricht.

In seiner Ansprache (an seine Mitarbeiter) führte Meyer frühere Krisen an, insbesondere die Ölkrise von 1973, die eine Tanker-Marktkrise und eine Strukturkrise für die deutsche Schiffbauindustrie auslöste. "Wir brauchten 20 Jahre, um dorthin zurückzukehren, wo wir 1973 waren", sagte er.

Frederik Erdmann 16. April 2020 https://www.seatrade-cruise.com/news/amid-order-shifts-cutbacks-cruise-market-will-need-decade-recover-bernard-meyer


Diese Erklärung wurde im April 2020 abgegeben aber seitdem gingen sieben Kreuzfahrtunternehmen bankrott und allein Carnival (das größte Kreuzfahrtunternehmen) hat bis heute 18 Schiffe aus der Flotte genommen (Schrott). Die Zukunft sieht nicht rosig aus.


Die Zeiten in denen die Belieferung eines Schiffes mit allem Notwendigen eine Herausforderung war sind vorbei


Vom Lager direkt in die Tonne

Die Lieferanten lieferten gerne und viel Lebensmittel, Getränke, Haushaltswaren, Wartungsmaterialien und alles andere, was ein Schiff benötigt. Einige Häfen begannen, das Laden von Schiffen in ihren Häfen zu verbieten, da die Masse der Busse, die Gäste zu Schiffen und Ausflügen transportierten und die Menge an Lastwagen die zur Versorgung von Schiffen benötigt wurden, zu einem Verkehrsalptraum wurden.


Als die Corona Panik im März begann waren alle Lager der Lieferanten voll um die Flotten all der startbereiten Flusskreuzfahrtsfirmen mit über 400 Schiffen monatelang zu versorgen die bis November ausgebucht waren. Der schlimmste Zeitpunkt für Lieferanten. Wäre die Corona Panik im Dezember gekommen hätten sie nicht eingekauft - so waren Ihre Lager im März aber zum Bersten voll. Die Bestellungen kamen nie. Einige Lieferanten haben sogar begonnen direkt aus ihren Lagern an jedermann zu verkaufen um Verluste zu minimieren. Der Rest ging in den Mülleimer. Und der Rest war groß!


2022 sind viele Zulieferer pleite gegangen, Transportpreise haben sich wahnsinnig erhöht und von einer Erholung kann lange keine Rede sein.


Der Himmel war die Grenze

Vor zwanzig Jahren, im Jahr 2000, zählten die See Kreuzfahrtschiffe 7 Millionen Gäste. Für 2020 betrug die Anzahl der gebuchten Gäste bis zu 32 Millionen. Und dann waren wir plötzlich fast auf 0 !


Flusskreuzfahrt Tourismus wuchs genauso schnell und die ersten Enten mussten an Land gehen weil sich die Flüsse jedes Jahr mit neuen Schiffen füllten. Die Enten sind zurück und haben Spaß am Platz!


Crew von überall - nicht mehr!

Als zu Beginn des Booms der Flusskreuzfahrt die Besatzung hauptsächlich aus Westeuropa stammte wechselte es mit der gestiegen Auslastung nach Osteuropa und Filipinos und Indonesier wurden eingeflogen um die Nachfrage jedes Jahr zu befriedigen. Die Arbeitsbedingungen und sozialen Leistungen gingen im selben Maßstab zurück.


Das nautische Personal vom Kapitän zum Seemann wurde schneller befördert als sie lernen konnten und auch hier sank die Qualität. Glücklicherweise gab es genug Verkehr, um Erfahrungen zu sammeln aber je schneller die Branche wuchs desto dünner wurde auch die Schicht qualifizierter Mitarbeiter.


Während Corona wurde das Personal schnell und brutal entlassen. Einige Unternehmen zahlten immer noch für ein paar Monate aber auch hier - mit den anhaltenden Problemen - musste dies an einem Punkt aufhören. Die wenigen Mitarbeiter die überhaupt kommen konnten hatten nur wenige Kreuzfahrten ohne Trinkgeld und unangekündigte Gehaltskürzungen von bis zu 30%. Dieselbe Arbeit, dieselben Stunden, dieselbe Anwesenheit - 24 Stunden an Bord - nur kein Einkommen, das den Weg zur Arbeit - zu Ihrem Arbeitgeber - rechtfertigte. Dies wird ein Bumerang für die Flusskreuzfahrtfirmen und Ihre Personal Abteilungen werden da die Leute nicht zweimal auf dieselbe Methode hereinfallen und andere warnen werden. Qualifiziertes Personal - so selten wie es früher schon war- wird Vergangenheit sein!

2022 ist es die Vergangenheit! Personal zu finden ist so schwer wie nie - nur haben sich die Bedingungen so verbessert das es wieder attraktiv sein könnte? Wie auch in der Hotellerie und Gastronomie muss man da klar sagen: Nein!


Vorhersagen 2020 wahr geworden?


Zurück zu normal?

Zurück zu normal wird es nicht geben. Angesichts der Tatsache, dass die Fluggesellschaften mit ihren optimistischsten Aussichten keine Rückkehr zur Normalität vor 2024 erwarten, könnte die Flusskreuzfahrtindustrie keine Rückkehr zur Normalität erwarten - Rückkehr zu den Zahlen von 2019 - nicht vor 2024 - 2026 berücksichtigt man, dass 75% des Marktes immer noch amerikanisch sind und englischsprachig (Großbritannien, Australien usw.)


Die Insolvenz vieler großer und kleiner Reisebüros wird sich ebenfalls auswirken. Die Anzahl der Schiffe wird reduziert werden müssen.


Wer kann es sich noch in den nächsten Jahren leisten?

Allein in Deutschland sind die Gehälter während der Corona um 11 bis 17 Prozent gesunken. (Statista.com 18.09.2020)


Das reichste Land Europas? Dies gilt nur für die glücklichen Menschen die noch einen Job haben. Wie können alle sich in Zukunft Kreuzfahrten leisten?


Die zusätzlichen Preissteigerungen in allen Bereichen die von der Politik nicht bekämpft, gedämpft oder abgefangen, sondern verteidigt werden lassen viele Menschen die früher unsere Gäste waren oder in der Zukunft sein könnten finanziell nicht die Möglichkeit an Kreuzfahrten zu denken.



Besatzung?

In Anbetracht der Zeitspanne für die Erholung (2024 - 2026) müssen alle Crew Mitglieder nach anderen Einkommensquellen und neuen Arbeitsplätzen suchen. Wie schwierig das sein mag - die meisten wirklich guten und qualifizierten werden Erfolg haben. Die Flusskreuzfahrtindustrie und ihre Personalabteilung müssen ihre Einstellung, Verhalten und Vergütungen anpassen und ändern und ihren Ansatz enorm verbessern, um Mitarbeiter zu gewinnen die zumindest die grundlegenden Aufgaben erledigen können. Es ist an der Zeit ganze HR Abteilungen aufzulösen und ganz neu - von Null - aufzubauen.


Ist da passiert im Jahre 2022? Ein klares “Nein” ist die Antwort.


Flusskreuzfahrt als solche?

Es ist eine großartige Art zu reisen und boomte zu Recht und bot den Gästen eine einzigartige Möglichkeit neue und alte Orte bequem zu erreichen und zu entdecken. Flusskreuzfahrten haben Ihren Platz gefunden und werden weiterhin existieren. Hoffentlich erholt es sich schneller, als wir jetzt vielleicht glauben. Es muss sich viel verbessern und verändern. Die Unternehmen die bereit sind das Geschäft und die Bedingungen die sie für Gäste und Mitarbeiter festlegen zu ändern, zu verbessern und zu überdenken, werden Erfolg haben. Die Anderen werden wir nicht vermissen.


Die Richtigen einstellen - und richtig bezahlen!

Es ist an der Zeit Leute anzustellen die Erfahrung und Hirn haben aber auch die Beine an Deck hatten. In einer Industrie die von selbst wuchs - wie bisher- war viel Platz für Corporate Selbstbeweihraeucherung. Jetzt braucht es Leute die wissen wie man anpackt und - vor allen Dingen - wo!


Vorhersagen sind Annahmen und viel Raten. So negativ sie auch jetzt aussehen mögen wir sollten den Hoffnungsschimmer behalten dass wir überrascht werden und es sich zum Besseren ändert. Auch heute 2022 haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben auch wenn es schlimmer ist als wir 2020 erwartet hatten.



Autor: Stephan Busch, Akademischer Direktor an der Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften Moskau RGGU, der Fakultät für Tourismus und Gastgewerbe und der Swiss International University, erwarb sein Master-Zertifikat in Hospitality Management an der Cornell University, USA. Er verfügt über vielfältige Erfahrungen in der Inbetriebnahme, Geschäftsentwicklung und Serviceschulung für Hotel- und Kreuzfahrtunternehmen in Asien, Europa, Kanada und Russland.


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